Begehung und Dokumentation: Halifax Bomber „Friday the 13th“
im Yorkshire Air Museum & Allied Air Forces Memorial
Elvington, Großbritannien
16.09.2023
Da in Museen auf der Welt (Stand 2023) nur noch zwei Halifax Bomber existieren: Einer mit der Kennung LV907 im Yorkshire Air Museum in Elvington bei York, Großbritannien, der aus Überresten von verschiedenen Halifax Bombern zu einem Exemplar zusammengesetzt worden war, und ein zweites Exemplar im National Air Force Museum of Canada in Trenton, Ontario, mit der Kennung NA337, der in den 90er Jahren fast komplett aus einem Fjord in Norwegen gehoben und restauriert wurde, ist der Besuch an und gar das Betreten von einem dieser Flugzeuge etwas sehr besonderes. Vor allem wenn man wie wir von der IG Heimatforschung Rheinland-Pfalz bereits mehrere Halifax Absturzstellen in und um Ludwigshafen am Rhein lokalisiert, Wrackteile gefunden und die Absturzstellen untersucht hat.
Der erste Ansatz für meinen Besuch in Elvington und der daraus resultierende Besuch in York ergab sich, als ich im Rahmen des Projektes Halifax NP711 Leistadt die Familie von William Wallace Wagner kontaktierte. Wenn die IG Heimatforschung Rheinland-Pfalz eine Absturzstelle lokalisiert hat, an der Soldaten gestorben sind, versuchen wir immer, alle Familien der Flugzeugbesatzung weltweit zu erreichen. William Wagner, ein Luftwaffensoldat mit amerikanischen und kanadischen Eltern, der im Zweiten Weltkrieg bei der kanadischen Luftwaffe gedient hatte, war bei dem Absturz von Halifax NP711 bei Leistadt, wie seine sechs Kameraden auch, ums Leben gekommen. Ein Nachfahre von William Wagner, Rob Wagner, teilte mit, Filmproduzent zu sein und plante, einen Film über das Schicksal von Halifax NP711 und unsere Arbeit zu machen. Als das Ganze seinen Lauf nahm, filmte er, wie sich herausstellte, auch im Yorkshire Air Museum, wo sich eine der Halifaxes, LV907, befindet. Als das Projekt Halifax NP711 in Leistadt zu Ende war, die Untersuchungen vor Ort beendet und das Monument an der Absturzstelle in Beisein der Nachfahren enthüllt und Robs Film Anfang 2023 fertig war, wurde ein Besuch im Yorkshire Air Museum mit der sich dort befindlichen Halifax in Angriff genommen.
Nach jahrelangem Auffinden von Kleinteilen und Wrackteilen an Absturzstellen, wollte ich schon lange mal einen der wenigen noch erhaltenen kompletten Halifax Bomber von innen sehen. Das Ziel war, alles bis ins Detail (fotografisch) zu dokumentieren. Dies würde unsere Arbeit an solchen Absturzstellen hier in Deutschland ungemein erleichtern und noch bessere Einsichten verschaffen. Rob Wagner gab mir den Tipp, den Museumsdirektor vom Yorkshire Air Museum zu kontaktieren. So gesagt, so getan. Meine Frau war auch noch nie in York gewesen, also machten wir daraus einen gemeinsamen mehrtägigen Besuch in York und Umgebung. Ein Tag war für Elvington und mehrere Tage waren für York geplant. Nach einem kurzen Emailwechsel mit dem Museumsdirektor stand der Termin, der 16. September 2023, in Elvington fest.
Alle Flüge von Frankfurt nach Leeds Bradford, dem Zielflughafen in Yorkshire, laufen über Amsterdam, also mussten wir dort umsteigen. Den gleichen Flug hatte ich in 2016 schon mal gemacht anlässlich einer Einladung zum Memorial Day. Dort hatte ich im Rahmen der Gedenkfeier in der örtlichen Kirche Flugzeugteile an Nachfahren der Besatzung von Stirling EF129 überreicht. Ein Jahr später kam diese Familie, die Familie Renton, nach Deutschland, um an der Enthüllung eines Denkmals an der Absturzstelle bei Limburgerhof teilzunehmen. Nun, in 2023, sechs Jahre später, flogen meine Frau und ich nach Leeds, also wurde im Vorfeld selbstverständlich ein Treffen mit der Familie Renton geplant. Wir freuten uns schon sehr sie wieder zu sehen.
Es war wieder toll in Großbritannien zu sein. Das englische Flair, die Gegend in und um die mittelalterliche Stadt York mit ihrer Kathedrale und den vielen Sehenswürdigkeiten und Pubs, hat uns sehr gefallen. Der Termin im Yorkshire Air Museum, mit einer sehr großen Auswahl an besonderen Exponaten, aber vor allem die Begehung von Halifax LV907, war das Highlight. Als wir uns dort im Eingangsbereich angemeldet hatten, wurden wir schon erwartet. Normalerweise ist das Flugzeug abgeschlossen und man kann es nur von außen betrachten. Man kann aber auch mit Voranmeldung und gegen Bezahlung eine Führung (120 Euro pro Person) bekommen. Da bei uns aber alles schon Monate im Voraus mit dem Museumsdirektor geregelt war, und er unsere Arbeit durch den Film von Rob Wagner bereits kannte und schätzte, klappte alles ohne Probleme (Veteranenpreis, also maximal ermäßigt). Meine Frau konnte gratis teilnehmen.
Unser Guide war top und erklärte alles bis ins kleinste Detail. Im Flugzeug selbst bekam man ein gutes Gefühl dafür, wie die Crew sich damals gefühlt haben muss. Alle Positionen im Flugzeug waren begehbar und wurden selbstverständlich dokumentiert und „ausprobiert“, um noch ein besseres Feeling dafür zu bekommen. Nach einer detaillierten Erklärung der Technik, Geräte, Instrumente etc., wurde das Flugzeug bis ins Detail fotografiert. Da die IG Heimatforschung an Absturzstellen meist nur Flugzeugfragmente findet, war die Dokumentation von jedem Detail wichtig, zumal ich nun die einmalige Gelegenheit hatte, alles bildlich festzuhalten.
Das ganze Innen- und Außengelände des Yorkshire Air Museums bietet eine Fülle an geschichtlich interessanten Flugzeugen und Ausstellungsstücken. Der ehemalige Flugplatz und die sich dort befindlichen Gebäude und die Nissenhütte sind noch komplett im Stil der 1940er Jahre. Im Bereich des ehemaligen Towers und dem NAAFI-Gebäude, wo wir selbstverständlich mittags etwas gegessen haben, läuft stilvolle Musik aus den 1940er Jahren aus den Lautsprechern.
Diese Nissenhütte brachte mich sofort zurück in meine Zeit bei den niederländischen Marines, als wir jedes Jahr in Schottland unser Gebirgstraining mit den englischen Marines absolvierten. Damals war unsere Kompanie (W-Coy) integriert in das 45 Commando Royal Marines (UK/NL Landing Force). In den abgelegenen englischen Kasernen in den Highlands von Schottland waren diese Hütten, die noch aus dem 2. Weltkrieg stammten, Standard.
Am letzten Tag unseres Besuchs in York trafen wir uns mit der Familie Renton, den Nachfahren von Luftwaffensoldat Renton, der bei Limburgerhof bei dem Absturz von Stirling EF129 umgekommen war. Es war ein tolles Wiedersehen. Wir haben mehrere Stunden miteinander verbracht, und anschließend verabschiedeten wir uns am kleinen Flughafen von Leeds-Bradford. Er war sehr schön die beiden wieder zu sehen!
Wie bereits erwähnt, gibt es auf der Welt momentan nur zwei erhaltene Halifax Bomber. In nicht allzulanger Zeit wird es einen dritten Halifax geben, denn die Gruppe von Halifax 57 Rescue um Karl Kjarsgaard, Kurator des Bomber Command Museum in Trenton, Ontario, Kanada, ist gerade dabei, vor der schwedischen Küste das Wrack von Halifax HR871 der Royal Canadian Air Force zu bergen. Sie planen dieses Flugzeug zu restaurieren. Karl war uns schon bei der Identifizierung von Wrackteilen an den von uns gefundenen Halifax-Absturzstellen bei Waldsee (Halifax JD322), bei Leistadt (Halifax NP711) und Haßloch-Speyerdorf (Halifax DK165) behilflich. Karl ist mit Abstand weltweit dér Experte, der sich mit Halifax Bombern am besten auskennt.
Der Halifax Bomber ist für Kanada das bis dato wichtigste Kampfflugzeug gewesen, und Karl und seine Gruppe suchen dieses Flugzeug weltweit, um es zu bergen, als Tribut an die Männer, die das Flugzeug damals geflogen sind, und um die Erinnerung an sie lebendig zu halten. Mit der gleichen Zielsetzung wie bei WK2-Projekten der IG Heimatforschung Rheinland-Pfalz: Auf das wir nicht vergessen. Lest we forget. Erik Wieman