Absturz eines englischen Bombers in der Flakstellung Ludwigshafen-Oggersheim

Avro Lancaster W4848 PM-L

16./17. April 1943


In der Nacht vom 16. zum 17. April 1943 führte das englische Bomber Command/Bomber Kommando mit 598 Bombern einen kombinierten Luftangriff auf die Städte Mannheim und Plzen/Pilsen (Tschechien) durch. 271 Flugzeuge wurden gegen Mannheim eingesetzt (Operation „Chub“). 327 Flugzeuge, ca. 2300 Mann, sollten die Skoda-Werke in Pilsen angreifen (Operation „Frothblower“). Da die Pathfinder, die das Ziel in Pilsen markieren sollten,  versehentlich das falsche Ziel markierten, wurden die Skoda-Werke nicht getroffen. Statt dessen fiel ein Großteil der Bomben auf eine psychiatrische Einrichtung bei Dobrany, südlich von Pilsen, wo es viele Verluste gab. Auch bei den alliierten Flugzeugbesatzungen gab es viele Verluste durch Nachtjäger und Flak. Bereits auf dem Hinflug nach Pilsen wurden über Deutschland viele Flugzeuge durch Flak und Nachtjäger abgeschossen. Eins davon war ein viermotoriger Lancaster Bomber mit der Kennung W4848 PM-L.  



Pilot James Mooney
Pilot James Mooney

Das Flugzeug der 103. Staffel der Royal Air Force kam aus Richtung Norden angeflogen, aus Richtung Frankenthal, dem heutigen Verlauf der Bundesstraße 9 (B9) folgend, in Richtung Mutterstadt. Am Steuerknüppel saß der 25jährige Pilot, James „Jim“ Mooney, ein gebürtiger Ire, der bei der Royal New Zealand Air Force in den Dienst getreten war. Er war der einzige Neuseeländer an Bord. Neben einem Kanadier (Navigator Flying Officer Aaron Gipson, RCAF- Royal Canadian Air Force) waren die anderen fünf Insassen des Flugzeugs alles gebürtige Engländer, die der britischen Royal Air Force angehörten: Funker Flying Officer Francis James Hudson, MG-Schütze Sgt. Robert William Harley, MG-Schütze Sgt. Victor John Merefield, Flugingenieur Sgt. Stephen Biggs und Bombenschütze Flying Officer Rowse. 


Flakstellung Ludwigshafen-Oggersheim


Flakstellung Ludwigshafen-Oggersheim


Die 8,8 Flak-Geschütze der Großkampfstellung Oggersheim, Teil des westlichen Verteidigungsgürtels um die Städte Ludwigshafen und Mannheim, trafen das Flugzeug bei der erste Salve. Alle in der Stellung riefen „Hurra“. Die Freude am Boden hielt aber nicht lange an, denn das Flugzeug, mit der vollen Bombenlast, ging sofort auf Steilflug und raste brennend auf die Flakstellung zu. 


Flakstellung Ludwigshafen-Oggersheim


Bombenschütze F/O Rowse
Bombenschütze F/O Rowse

Zwei Insassen des Bombers konnten gerade noch mit dem Fallschirm abspringen, bevor das Flugzeug innerhalb der Stellung in den Boden einschlug und explodierte. Es hinterließ einen großen und tiefen Krater. Neben den fünf beim Aufprall noch in dem Flugzeug befindlichen alliierten Soldaten, kamen bei der Explosion vier deutsche Luftwaffensoldaten ums Leben. Vierzehn Luftwaffensoldaten und Luftwaffen (Flak-)helfer wurden verletzt.

 

Die beiden alliierten Fallschirmspringer überlebten den Absprung und wurden in Kriegsgefangenschaft überführt. Beide landeten nach dem Absturz unweit der Flakstellung im Feld. Einer (Flying Officer Rowse) kam anschließend in die Stellung gelaufen. Der andere (Sergeant Biggs) brach sich bei der Landung das Fußgelenk. Nach mehreren Verlegungen ( Frankfurt/DULAG Luft, Stralsund und Thorn) wurde F/O Rowse am 8. April im Stammlager Fallingbostel (STALAG 357) befreit. 


Absturzstelle W4848, Flakstellung Ludwigshafen-Oggersheim


Herr Werner Raubenheimer, 1943
Herr Werner Raubenheimer, 1943

Die Flakstellung und alles dort Geschehene gerieten nach dem Krieg in Vergessenheit und heute lässt sich nur schwer sagen, wie es damals dort ausgesehen hat, geschweige denn, was sich dort im Krieg abgespielt hat. Aber es sind noch genug Spuren da, wenn man genauer hinschaut und wenn man weiß, wo man genauer schauen muss. Einer weiß es noch ganz genau.  

 

Einer der damals verletzten Luftwaffenhelfer, damals 17, heute 92 Jahre alt, hat sich nach einem Zeitungsartikel, der sich mit einem anderen Projekt der IG beschäftigte, bei der IG Heimatforschung gemeldet. Gemeinsam haben wir das Gelände der ehemaligen Großkampfstellung besucht. Anhand seiner Angaben war es uns nach kurzer Zeit möglich, die ehemalige Absturzstelle punktgenau zu orten und gleichzeitig die ersten Flugzeugteile von Lancaster W4848 im Oberflächenbereich sicherzustellen. 



Flakstellung Ludwigshafen-Oggersheim
Flakstellung Ludwigshafen-Oggersheim

Lt. dem Zeitzeugen überflog das Flugzeug zunächst die Stellung, kippte dann rasch über die linke Tragfläche ab bzw. flog eine steile Kurve zurück und raste direkt auf das Herzstück der Stellung, das Kommandogerät und die Radaranlage zu. Kurz bevor es einschlug und explodierte, war das Flugzeug wieder in einer geraden aber sehr steilen Fluglage.

 

 

Damals war sich jeder in der Stellung sicher, dass der Pilot absichtlich in die Stellung hineinflog. Aussagen der überlebenden Flugzeuginsassen besagen aber, dass der Pilot bereits beim ersten Treffer tot oder schwerverletzt über dem Steuerknüppel hing. Da sie aber noch rechtzeitig vorher, außerhalb des Stellungsbereiches, aussteigen bzw. abspringen konnten, bevor das Flugzeug eine letzte Drehung machte, kann man nur darüber spekulieren, was in den letzten Sekunden tatsächlich geschehen ist: War der Pilot Mooney bereits tot und geschah das alles unkontrolliert oder hat er schwer verletzt versucht, das Herz der Stellung zu treffen? 


Fakt ist, die B1/das Kommandogerät und die daneben stehende Radaranlage (FuMG62, ein sog. „Würzburg“-Gerät), die beide nur max 15-20m von einander entfernt standen, von oben gesehen praktisch nebeneinander, wurden direkt getroffen. Hier gab es vier Tote und vierzehn verletzte deutsche Soldaten. Zu dem Mysterium gesellt sich die Tatsache, dass nach dem Absturz im Bereich der Absturzstelle eine englische Karte gefunden wurde, auf der die Flakstellung genau markiert bzw. eingezeichnet war. Ob das alles Zufall war oder nicht, es ist jedenfalls eine sehr interessante Geschichte, die sich hier abgespielt hat und der wir weiter auf den Grund gehen werden. 

 

 

Im Zuge der weiteren Bearbeitung dieses Projektes wird eine Nachforschungsgenehmigung bei der Denkmalhörde in Speyer beantragt, um weitere Fundstücke und Fakten dieses geschichtsträchtigen Ereignisses bzw. Ortes zu sichern. Geplant ist auch, hier alle Nachfahren der Besatzung zu informieren, die Stelle detailliert mit VLF/PI-Geräten und Magnetometer bzw. Prospektionsmethoden zu untersuchen, weitere Fakten/Beweise zu sammeln und am Ende des Projektes einen Gedenkstein für die gefallenen Soldaten beider Seiten zu errichten.

Erik Wieman  



In Bearbeitung/To be continued