12 Squadron RAF, Absturz 23./24. September 1943
Am 23.09.1943 stieg um 19:15 Uhr ein viermotoriger Bomber mit der Kennung DV225 PH-H vom Typ Lancaster Mk. III von der RAF-(Royal Air Force)Basis Wickenby in Großbritannien auf. Das Flugzeug gehörte zur 12. Staffel/Squadron der Royal Air Force und hatte eine Besatzung von sieben Mann. Ihr Auftrag lautete: Bombardierung des nördlichen Teils von Mannheim, welcher bei dem Angriff vom 5./6. September des gleichen Monats lt. Bomber Command nicht "so schwer getroffen" worden war. Insgesamt nahmen 628 Flugzeuge an dem Angriff teil. Insgesamt 32 Flugzeuge wurden durch Nachtjäger und Flak abgeschossen. Eines davon war Lancaster DV225. Alle Insassen fanden den Tod in einem Acker bei Iggelheim.
Die IG Heimatforschung wurde durch einen Zeitzeugen, der mit dem Heimatmuseum in Iggelheim verbunden ist, auf die Absturzstelle aufmerksam. Er brachte uns auf die richtige Spur. Nun galt es anhand von Beweisen, Flugzeugteilen, die Stelle punktgenau wiederzufinden und zu identifizieren.
Da die in Frage kommende Gegend des Absturzes Teil unseres festen Nachforschungsgenehmigungsgebiets der Denkmalbehörde ist, beschlossen wir, der Sache auf den Grund zu gehen. Erstens, weil die Nachfahren der Besatzung sicherlich daran interessiert sind zu erfahren, wo das historische Ereignis stattgefunden hat, wo ihre Familienmitglieder gestorben sind. Zweitens wollten wir die Stelle für die Nachwelt untersuchen und sichern, bevor sie endgültig verloren geht. Außerdem wollten wir die Stelle optisch mit einem Gedenkstein sichtbar machen. Die in Frage kommende Stelle, Äcker und Wiesengelände, wurde zusammen mit dem Heimatverein begangen, es ließen sich aber an der Oberfläche bei der ersten Begehung ohne Hilfsmittel wie erwartet noch keine Kleinteile finden, da der größte Teil aus Wiesengelände bestand. Der angrenzende Acker war eingesät und nicht begehbar. Auf gepflügtem Ackergelände wird man üblicherweise relativ schnell fündig, da sich dort immer kleine Aluminiumteile, kleine Plexiglasreste, etc. vom Flugzeug finden lassen, die hochgepflügt wurden.
Bei der zweiten Begehung mit dem Metalldetektor landeten wir schon schnell einen Treffer nach dem anderen. Überall waren Flugzeugteile, teils sogar mit Seriennummer, direkt unter der Oberfläche. Die Flugzeugteile waren anhand der Merkmale eindeutig englischen Ursprungs. Jetzt galt es, so viele Beweise (Erkenntnisse und Fundstücke) wie möglich zu sichern. Außerdem wurden Daten für eine erfolgreiche Nachfahrensuche gesammelt.
Courtesy: http://aircrewremembered.com/
Im Laufe der Nachforschung vor Ort stellte sich heraus, dass in der Vergangenheit bereits ein größeres Flugzeugteil an der Absturzstelle geborgen worden war. Das Flugzeugteil wurde im Aushub einer Pipelinetrasse, die 2009 gebaut wurde und die Absturzstelle angeschnitten hatte, gefunden. Es stellte sich ebenfalls heraus, dass das Flugzeugteil sich nicht mehr in Iggelheim befand, sondern auf Wanderschaft gegangen war und innerhalb der letzten zehn Jahre über Ludwigshafen nach Bockenheim transportiert worden war.
Sofort wurden Nachforschungen angestellt, um ein so komplett wie mögliches Bild von der Absturzstelle und der daraus stammenden Überreste des Flugzeugs zu bekommen. Außerdem diente das Flugzeugteil als wichtiges Identifikations-mittel. Das Flugzeugteil, bei dem es sich um die Propellernabe eines der Merlin-Motoren handelte, konnte schließlich im Bauhof von Bockenheim sichergestellt werden.
Ein Experte des Bomber Command Museums in Kanada, mit dem sich die IG Heimatforschung regelmäßig austauscht, identifizierte das Objekt eindeutig als ROTOL-Propellernabe eines Lancaster Bombers vom Typ Mk. III/Typ III. Sofort wurden Maßnahmen eingeleitet, das Objekt professionell zu reinigen, mit dem Ziel, es zukünftig, mit Genehmigung der Behörden, im Heimatmuseum von Iggelheim auszustellen . Außerdem wurde es der Denkmalbehörde in Speyer und den englischen Behörden, die immer noch Eigentümer der Flugzeugteile sind, gemeldet. Die Absturzstelle ist ab 2019 als Fundstelle gemeldet und geschützt.
Artefakt wird ausgeladen und professionell gereinigt
Ein kleiner Fund mit großer Bedeutung? Der Fund eines kanadischen Fliegerabzeichens an der Absturzstelle in Iggelheim
Im September 2019, während einer Prospektion an der Absturzstelle in Iggelheim, wurde durch die IG Heimatforschung RLP ein Mützenabzeichen aus dem 2. Weltkrieg, das Mützenabzeichen eines alliierten Fliegers, gefunden. Was bei der Entnahme aus dem Erdreich auf den ersten Blick wie ein englisches Mützenabzeichen aussah, entpuppte sich nach wenigen Sekunden und einer ersten Reinigung als ein kanadisches Abzeichen der RCAF, der Royal Canadian Air Force, welche den englischen Mützenabzeichen der Royal Air Force sehr ähnlich sehen. An der Absturzstelle wäre lt. historischen Unterlagen ein englisches Flugzeug der RAF mit englischer Besatzung abgestürzt. Jetzt tauchte bei der Prospektierung der Absturzstelle dieses Abzeichen eines kanadischen Fliegers auf. Ein kleiner, unerwarteter, aber aussagekräftiger Fund?
Wie in historischen englischen Unterlagen des Bomber Kommandos (Bomber Command) ausführlich belegt, waren ausschließlich sieben englische Soldaten der Royal Air Force (RAF) bzw. RAFVR (Royal Air Force Volunteer Reserve) an Bord von Lancaster DV225. Offiziell waren also keine kanadischen Soldaten der Royal Canadian Air Force (RCAF) an Bord. Auch lt. Exhumierungs-Unterlagen der Commonwealth War Graves Commission vom Friedhof in Iggelheim, wo die Überreste der Besatzung in 1943 zuerst bestattet waren, und Rheinberg, wohin die Soldaten umgebettet wurden, ist genau dieses Flugzeug, Lancaster DV225, samt englischer Besatzung dokumentiert. Warum das vor kurzem an der Absturzstelle entdeckte kanadische Mützenabzeichen an Bord war, kann mehrere Gründe gehabt haben.
Einzelne Besatzungsmitglieder wurden damals, aus verschiedenen Gründen, auch noch im letzten Moment ausgetauscht (wg. Krankheit, etc..). Dies wurde aber normalerweise immer im „Operations Log“ (Logbuch) schriftlich festgehalten. Dies war hier nicht der Fall, hier waren keine Änderungen vorgenommen worden.
Einige Flugzeuginsassen hatten damals persönliche (Ausbildungs-)Andenken dabei (viele Engländer, Australier, Neuseeländer, etc. wurden in den USA, Kanada, etc. ausgebildet, bevor sie einer Staffel der RAF, RCAF, RNZAF, RAAF zugeordnet wurden). Auch wechselten einzelne Besatzungsmitglieder, je nach Funktion die gerade „gefragt“ war, gelegentlich, wegen Ausfällen oder aus anderen Gründen, kurzfristig zu einer anderen Besatzung, zumal es bei Besatzungen oft einzelne Verluste durch Flak oder Jägerangriffe gab. War z.B. der Bordschütze einer Besatzung verletzt oder getötet worden, musste schnell wieder ein neuer Bordschütze seinen Platz einnehmen. Möglich wäre auch, dass dieses Abzeichen von einem Mitglied einer vorangegangenen Besatzung bzw. eines früheren kanadischen Besatzungsmitglieds gewesen war, das bei einem der vorangegangenen Flüge an Bord gewesen war, und sein Abzeichen im Flugzeug verloren hat. Da Besatzungen nicht selten von Flug zu Flug unterschiedliche Flugzeuge flogen, ist ein Relikt aus einem der vorangegangenen Flüge nicht ganz undenkbar.
Man muss zwar alle Möglichkeiten einbeziehen, aber im Endeffekt bringt es wenig zu spekulieren. Das Wichtigste sind die Fakten, worauf denen unsere Untersuchungen basieren und wir ermitteln daher zunächst in allen Richtungen.
Da am Absturztag offiziell keine Kanadier an Bord waren, schauen wir uns zuerst die vorangegangenen Besatzungen von Lancaster DV225 an. Besatzungen, die vor dem Absturz in Iggelheim an vorangegangenen Tagen Missionen mit dem Flugzeug geflogen haben. Wer war also sonst noch im September 1943 an Bord gewesen?
3. auf 4. September 1943: Lancaster DV225 fliegt einen Angriff auf Berlin. Besatzung: Sieben Engländer, keine Kanadier: Lloyd/Parkes/Edwards/Smith/McDonnell/Baker/Ellis
Sgt. Ellis war also offenbar der Einzigste dieser Besatzung, der auch am 23./24. September, beim Absturz in Iggelheim, dabei war und umkam.
6. auf 7. September: Lancaster DV225 fliegt einen Angriff auf München mit der gleichen Besatzung wie am 3./4. September 1943 (Lloyd/Parkes/Edwards/Smith/McDonnell/Baker/Ellis). Wiederum also keine Kanadier an Bord.
22. auf 23. September 1943 (nur ein Tag vor dem Absturz): Lancaster DV225 fliegt eine Mission in Richtung Hannover, muss den Flug aber frühzeitig wieder abbrechen und kehrt wg. technischer Probleme zur Basis zurück. Es bestand der Verdacht , dass eine Ruderstange gebrochen war. Besatzung: Cook/Guthrie/Runciman/Woodacre/Williams/Jolly/Ellis
Das technische Problem konnte aber offenbar rasch behoben werden, denn ein Tag später flog DV225 seinen letzten Angriff gegen Mannheim, mit der gleichen Besatzung wie am Vorabend. Und wurde letztendlich abgeschossen.
Es waren in dem ganzen Monat September 1943 also keine Kanadier an Bord. Wurde das Abzeichen noch früher „verloren“, ist im letzten Moment doch ein Kanadier eingesprungen, ohne das dies festgehalten wurde, oder handelt es sich hier doch nicht um Lancaster DV225? Dieser kleine Fund lässt zumindest Fragen aufkommen.
Fakt ist, dass es damals üblich war, dass viele Besatzungen aus gemischten Nationalitäten zusammengesetzt waren. Es gab z.B. Staffeln mit gemischten Besatzungen, bestehend aus Engländern, Kanadiern, Neuseeländern, Australiern, etc. Das gemeinsame „Ziel“ und die identische Ausbildung und Sprache machten den Austausch und den gemeinsamen Einsatz bei Bomberbesatzungen der Commonwealth-Staaten ohne Probleme möglich.
Da in den englischen Unterlagen ein Personalaustausch bei Lancaster DV225 nicht festgehalten wurde, lässt dies aber zunächst auch die Frage offen, ob es sich in Iggelheim möglicherweise um ein anderes Flugzeug, einen anderen Lancaster, der damals in der gleichen Nacht abgeschossen wurde, handeln könnte. Eine erste Überprüfung und ein Vergleich mit anderen Abstürzen in der gleichen Nacht, bei denen Kanadier involviert waren, waren bis jetzt negativ. Dies wird jedoch noch weiter verfolgt.
Dass es ein Bomber vom Typ Lancaster war, ist anhand der Fundstücke und der Identifizierung durch das Bomber Command Museum, mit dem die IG Heimatforschung engen Kontakt pflegt, bereits eindeutig belegt. Nur, war es wirklich Lancaster DV225? Und waren die bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Toten, die auf dem Friedhof von Iggelheim bestattet wurden, auch tatsächlich die Besatzung von Lancaster DV225? Dies gilt es eindeutig zu klären bzw. bestätigen.
Bei der Exhumierung, nach dem Krieg am 07.05.1948, fast fünf Jahre nach dem Absturz, konnte bereits keiner der exhumierten Besatzungsmitglieder noch eindeutig identifiziert werden. Nicht einmal die genaue Anzahl der Toten war noch feststellbar, so wenig war nach dem Brand am Absturzort von der Besatzung übrig geblieben. Das Ergebnis lautete: „remains of four or five unknowns“, was soviel heißt wie „Überreste von vier oder fünf Unbekannten (Soldaten)“. Da die Besatzung nicht aus fünf sondern aus sieben Mann bestanden hat, kann man sich vorstellen, wie das Feuer an der Absturzstelle, was Zeitzeugen auch bestätigt haben, gewütet haben muss.
Uhr, vergoldet, verbrannt (Vorderseite/Rückseite), Abzeichen RCAF, Absturzstelle Iggelheim
One Penny, George VI, Großbritannien (Vorderseite/Rückseite), beschädigt, verbrannt, Absturzstelle Iggelheim
DNA-Untersuchungen standen noch nicht zur Verfügung, also basierten Untersuchungsergebnisse auf ganz anderen, logischerweise ungenaueren, Kriterien wie heute. Unter diesen Gegebenheiten, mit bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Leichen, und den gegebenen Bedingungen, eine fast unmögliche Aufgabe. Hier stellt sich auch die Frage, ob damals, direkt nach dem Absturz in 1943 durch das deutsche Bergungsteam oder in 1948 bei der Exhumierung durch die englische Armee, Erkennungsmarken oder andere persönliche Hinweise (Pay Books, persönliche Gegenstände, etc.) vorlagen bzw. gefunden wurden, auf welche die Behörden damals ihre Identifizierung stützten. Hinweise, Gegenstände und (deutsche) Unterlagen, die in 1943 zur Verfügung standen, waren oft später in 1948 nicht mehr vorhanden bzw. verloren gegangen. Erkennungsmarken und Stoffresten der Uniforme waren oft das einzige Identifizierungsmerkmal auf Identität oder Nationalität. Kanadische (und auch englische) Soldaten hatten im September 1943, dem Monat des Absturzes, noch Erkennungsmarken aus bakelitähnlichem Kompositionsmaterial. Sie waren also nicht-metallisch und relativ empfindlich.
Ein Monat vor dem Absturz (im August 1943) hatte das Militär erst langsam damit angefangen, feuerbeständige Metall-Erkennungsmarken zu entwickeln, die aber erst ab 1945 und danach flächendeckend hergestellt und getragen wurden. Die Besatzung in Iggelheim hatte diese neue Marken im September 1943 also noch nicht.
Bei anderen alliierten und Commonwealth-Fliegerbesatzungen waren die Erkennungsmarken aus dem gleichen Material. Eine (zusätzlich getragene) Marke oder Armband (mit pers. Daten) aus Metall war oft nur eine Ausnahme und/oder auf die persönliche Initiative des Inhabers (oder deren Familien) zurückzuführen. Bei einzelnen Commonwealthstaaten (RAAF, etc.), aber auch bei ausländischen Staaten, z.B. bei tschechischen, niederländischen oder polnischen Fliegern, die ihren Dienst bei der RAF verrichteten, kamen aber vereinzelt, kombiniert mit Kompositionsmarken, in sehr geringer Anzahl, eigene Metallmarken vor. Die Amerikaner hatten zu dem Zeitpunkt längst Erkennungsmarken aus Metall. Diese kommen nach 75 Jahren oft noch in erstaunlich gutem und lesbarem Zustand aus dem Boden.
An Absturzstellen von Flugzeugen der Commonwealth-Staaten werden nachweislich kaum Erkennungsmarken gefunden. Dies ist eindeutig auf die Materialzusammensetzung (nicht mit Metalldetektoren ortbar und nur bedingt feuerbeständig) und die Tatsache, dass der Löwenanteil „nur“ diese bakelitähnlichen Kompositionsmarken mitführte, zurückzuführen.
Material wie Bakelit ist relativ hitzebeständig bis 200 Grad Celsius. Bei Flugzeugbränden sind jedoch Temperaturen von 1000 Grad Celsius keine Seltenheit, in der Regel blieb davon dann nichts mehr übrig.
Da es an der Absturzstelle in Iggelheim großflächig gebrannt hat und auch alle Insassen bis zur Unkenntlichkeit verbrannten, haben die auf den Körpern befindlichen, materialtechnisch sehr empfindlichen Erkennungsmarken aus nicht-metallischem Kompositionsmaterial wohl genauso wenig das Feuer überstanden, oder waren kaum noch lesbar. Leider sind keine Friedhofsunterlagen vom Friedhof Iggelheim mehr vorhanden. Die Besatzung wurde damals in einer Ecke des Friedhofs Iggelheim verscharrt, ohne dass dort offenbar irgendetwas festgehalten wurde bzw. ohne dass davon bis heute etwas erhalten geblieben ist.
An dieser Stelle möchte ich dem Zeitzeugen/Heimatforscher T. Brendel und dem Heimatforscher J. Hauptmann vom Heimatmuseum Iggelheim sowie der GDKE (Generaldirektion Kulturelles Erbe) in Speyer und den Grundstückseigentümern danken. Nur in Zusammenarbeit mit den og. Personen und Behörden war die Lokalisierung der Absturzstelle und Bergung der ersten Fundstücke auf Anhieb möglich.
Eines zeigt dieser unerwartete kleine Fund dieses kanadischen Mützenabzeichens, welcher hier eigentlich gar nicht hätte liegen sollen, aber gewiss: Hier sind noch weitere Nachforschungen notwendig und jeder zukünftige Fund, so klein er auch sein mag, kann von großer Bedeutung sein.
Erik Wieman
In Bearbeitung. Fortsetzung folgt / to be continued.