Übergabe Flugzeugteile Halifax NP711 Leistadt
Einladung durch CO RCAF, Ramstein Air Base
Auf Einladung des scheidenden Kommandanten der Royal Canadian Air Force (RCAF), Ramstein Air Base, Colonel Daniel Constable und seiner Frau Kathryn, waren meine Frau und ich, im Namen der IG Heimatforschung Rheinland-Pfalz, am 12. Juni 2019 zur Ramstein Air Base gefahren, um an dem traditionellen „Mugout“, das Austrinken des letzten „Mug“, des letzten Kruges, teilzunehmen. Nach mehreren Jahren Dienst in Ramstein sollte Colonel Constable wieder zurückversetzt werden nach Kanada.
Colonel Daniel Constable hatte in 2018 an unserer Gedenkfeier für eine englisch-kanadische Besatzung in Speyerdorf teilgenommen, was bei ihm einen bleibenden und tiefen Eindruck hinterlassen hat. Seitdem tauschen wir uns regelmäßig aus bzw. haben wir regelmäßig Kontakt. Er war auch generell immer sehr interessiert an allen Projekten der IG Heimatforschung, besonders an Absturzstellen, bei denen Kanadier involviert waren. Er wurde regelmäßig informiert über eine bestimmte Absturzstelle, die wir inzwischen im Wald bei Leistadt gefunden hatten, die Absturzstelle eines kanadischen Halifax-Bombers der 408 Squadron Royal Canadian Air Force. Im Rahmen der dortigen Untersuchungen wurden bereits viele Wrackteile geborgen und neue Erkenntnisse gewonnen. Außerdem konnten mittlerweile alle Familien der Besatzung erreicht werden. Auf Bitte von Colonel Constable, in Absprache mit den Behörden in Koblenz und Speyer, wurde vereinbart, einen Teil der Flugzeugteile an die kanadische Armee zurückzugeben. Dies war kein Problem, denn die Wrackteile sind, auch nach 75 Jahren, immer noch Eigentum der kanadischen Armee. Diese Flugzeugteile sollten dauerhaft im Canada-Club auf dem Flugplatz Ramstein ausgestellt werden.
Diese Rückgabe der Flugzeugteile war für den Tag des „Mugout“ geplant. Bei dieser Veranstaltung, bei der Colonel Constable als Kommandant, sich zusammen mit noch weiteren hochrangigen Soldaten vom Dienst in Ramstein verabschiedete, fand ebenfalls eine offizielle Zeremonie statt, bei der einzelne hochrangige Soldaten befördert wurden. Wir, die IG Heimatforschung, die einzigsten nicht zur kanadischen Community in Ramstein gehörenden Personen, waren als Colonel Constables persönliche Gäste dabei. Da Flugzeugteile ohne ihre Geschichte unserer Meinung nach „nur Flugzeugteile“ sind, und dass der eigentliche „Wert“ der Teile durch den „historischen Wert“ verkörpert wird, hatte ich Colonel Constable, neben einzelnen Flugzeugteilen, die komplette Geschichte dazu übergeben, samt Fotos der umgekommenen Besatzung.
Als er uns am Visitor Center abholte und wir hinter ihm in die Ramstein Air Base mit dem Auto einfuhren, ertönte kurz danach, wie jeden Tag dort um 17:00 Uhr, nacheinander, zuerst die deutsche und anschließend die amerikanische Nationalhymne. Alles was in Bewegung war, Fußgänger, fahrende Autos, etc., blieb auf der Stelle stehen, auch mitten auf der Straße, bis die Hymnen abgespielt waren . Eine tolle Tradition. Danach fuhren wir weiter zum Canada Club, wo die Zeremonie stattfinden sollte.
Colonel Constable stellte uns die kanadische Community vor, und wir stellten fest, das wir die einzigsten „Ausländer“ zwischen vielen Kanadiern, Offizieren, Unteroffizieren und ihren Ehefrauen/Ehemännern waren. Colonel Constable hatte sie im Vorfeld bereits über unsere Arbeit bzw. Gruppe informiert, denn die meisten wussten schon Bescheid und waren sehr interessiert.
Ich lebte selbst längere Zeit im Ausland in einer kleinen Militär-Community, ähnlich wie die Kanadier hier in Ramstein, weit weg von der Heimat, da gibt es eine besondere Art des Zusammenhalts, das konnte ich auch hier sofort wieder spüren. Nach der Beförderungszeremonie, bei der zwei kanadische Soldaten den nächst höheren Dienstgrad offiziell bestätigt bekamen, stand der traditionelle Mugout an, und Daniel Constable trank seinen letzten Krug unter viel Beifall, Übergabe von Geschenken und sehr guter Stimmung aus.
Danach richtete er seine Worte an das Publikum, und die Übergabe der Flugzeugteile stand an. Er hatte aber noch etwas vorbereitet. Die Anwesenden sollten sich zuerst noch einen Film anschauen. Dies war auch für uns eine Überraschung. Alle schauten auf den Riesenbildschirm an der Wand, wo der Film ablief. Es war der Film eines Reporters eines englischen Militärfernsehsenders, der vor einigen Monaten mit der IG Heimatforschung RLP an der Absturzstelle des kanadischen Bombers eine Reportage gemacht hatte. Besser hätte es Daniel Constable nicht machen können, denn im Film wurde bereits viel erklärt. Auch um welches Flugzeug es ging, der kanadische Halifax NP711 EQ-O..
Anschließend wurden die Flugzeugteile samt der dazugehörigen Geschichte der Besatzung, optisch aufbereitet, präsentiert. Colonel Constable hatte sie speziell für diese Gelegenheit, sehr gelungen und aufwendig, einrahmen lassen. Für alle Anwesenden eine rührende Geschichte, ihre Landsmänner betreffend, und sie waren sehr froh, dass sich jemand hier in Deutschland um ihre verstorbenen Kameraden und ihre Geschichte kümmert. Der Präsentationskasten fand auch im Abklang der Feier, nach dem Essen, sehr großes Interesse. Es stellte sich heraus, dass ein Offizier anwesend war, der in der heutigen 408 Squadron, einer Squadron, die es (mit anderem Auftrag/Verwendung als in WK2) immer noch gibt, gedient hat.
Es wurden viele neue Bekanntschaften gemacht und über zukünftige sowie laufende IG-Projekte kommuniziert, bei denen kanadische Soldaten im WK2 involviert waren. Die kanadische Luftwaffe sagte uns ihre volle Unterstützung zu, worüber wir uns sehr freuten.
Als wir uns dann am Ende der Veranstaltung von der kanadischen Community herzlich verabschiedet hatten, besuchten wir im Anschluss zusammen mit Dan und Kathy noch eine geschichtsträchtige Stelle direkt außerhalb der Ramstein Air Base, welche in Verbindung steht mit „The Great Escape“ (verfilmt unter „Gesprengte Ketten“). An dieser Stelle wurden im WK2 zwei alliierte gefangene Flieger, die Organisatoren der Massenflucht aus dem Lager, exekutiert. Sie waren nach ihrem Ausbruch aus Stalag Luft III (Sagan, im heutigen Polen) gefasst worden, hierher gebracht und exekutiert worden. Unweit der ehemaligen Exekutionsstelle, welche heute etwas abseits der Straße an einem ehemaligen Brückenrest liegt, befindet sich noch ein größeres Monument für diese zwei tapferen Soldaten. Wenn man auf das West Gate zufährt, kommt man automatisch daran vorbei.
Ein herzliches Dankeschön an Dan und Kathryn Constable für die Einladung und die persönliche Betreuung. Es war toll, Eure Community kennenzulernen und es war eine Ehre für uns dabei gewesen zu sein.
Erik Wieman